Bern, 9. Oktober 2019. Die frühkindliche Entwicklung ist wichtig für die psychische Gesundheit während des gesamten Lebens. Doch gibt es zu wenig Unterstützungsmassnahmen für Kinder, die in schwierigen Umständen aufwachsen. Gesundheitsförderung Schweiz nimmt den bevorstehenden internationalen Tag der psychischen Gesundheit zum Anlass, auf dieses Manko hinzuweisen und stellt vier innovative Projekte vor.
Knapp 5 % der Schweizer Bevölkerung fühlen sich stark und rund 13 % mittelschwer psychisch belastet. Mit anderen Worten, bei 18 von 100 Personen ist das Vorliegen einer psychischen Störung wahrscheinlich. So fasst das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) im Monitoring 2016 Teilerkenntnisse zur psychischen Gesundheit in der Schweiz zusammen.
Bei der Förderung der psychischen Gesundheit besteht somit Handlungsbedarf. Denn psychische Störungen verursachen nicht nur individuelles Leid, sondern auch hohe volkswirtschaftliche Kosten. Um dem entgegenzuwirken, ist es einerseits wichtig, über psychische Krankheiten zu informieren. Andererseits muss auf die Möglichkeiten zur Förderung der psychischen Gesundheit von Erwachsenen, älteren Menschen, Kindern und Jugendlichen aufmerksam gemacht werden. Dazu nehmen Fachorganisationen jedes Jahr den 10. Oktober – den internationalen Tag der psychischen Gesundheit – zum Anlass.
Kantonale Aktionsprogramme – Beispiele aus den Regionen
Für die psychische Gesundheit engagieren sich Gesundheitsförderung Schweiz und die Kantone im Rahmen der Kantonalen Aktionsprogramme. Ein besonderes Augenmerk richten sie dabei auf die Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Grosse Bedeutung hat, dass Kinder bereits in der frühen Kindheit wichtige Ressourcen für die psychische Gesundheit entwickeln können. Diese frühkindliche Altersphase ist massgebend, da sie sich auf die weitere Entwicklung eines Kindes in Bereichen wie psychische und körperliche Gesundheit oder Sozialkompetenzen auswirkt.
Zurzeit unterstützt Gesundheitsförderung Schweiz ca. 40 nationale, regionale oder kantonale Projekte zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Jedoch gibt es einen Mangel an Projekten, die Familien unterstützen, in denen sich Elternteile in schwierigen Zeiten befinden oder selbst psychisch krank sind. Kinder in solchen Familien sind verstärkt psychischen Belastungen ausgesetzt und benötigen spezifische Unterstützung durch nahe Bezugspersonen aus der Familie oder dem Freundeskreis und/oder Fachpersonen.
Um das Defizit an Unterstützungsmöglichkeiten zu beheben, fördert Gesundheitsförderung Schweiz vier innovative Projekte mit dem Ziel, diese Ansätze zur frühkindlichen Förderung zu verbreiten. Den Projekten gemeinsam ist, dass sie im unmittelbaren Umfeld der Kinder ansetzen, indem sie die lokale Vernetzung von Fachpersonen systematisch organisieren und deren Fachwissen stärken. Ausserdem werden Schulungen und Schulungsmaterialien entwickelt und umgesetzt. All dies mit dem Ziel, Fachpersonen und Eltern zu befähigen, die psychische Gesundheit von Kleinkindern von der Geburt an zu fördern.
Projekt «Stärkung von Kindern psychisch belasteter Eltern» (Kanton Thurgau)
Kinder mit psychisch erkrankten Eltern sind besonderen psychischen Belastungen ausgesetzt. Eine adäquate Informationsvermittlung über die Erkrankung und Behandlung des Elternteils gilt als einer der wesentlichen Schutzfaktoren. Diese Aufklärung kommt jedoch oft zu kurz. Ebenso hat die Thematisierung der Elternrolle während der Therapien der Patientinnen und Patienten nur einen geringen Stellenwert. Als Grund dafür werden seitens der Behandelnden die geringen Zeitressourcen und Unsicherheit in Bezug auf die Kompetenz geäussert.
Damit im Rahmen der Therapie und Beratung von psychisch Erkrankten deren Rolle als Eltern und die Situation der Kinder systematisch einbezogen wird, setzt der Kanton Thurgau zusammen mit dem Institut Kinderseele Schweiz iks ein Pilotprojekt um. Mittels geeigneter E-Learning Tools sollen Fachpersonen sensibilisiert und durch Wissensaufbau und Kompetenzvermittlung befähigt werden, Patientinnen und Patienten in ihrer Elternrolle zu unterstützen. Obwohl nicht selbst Patienten, können so betroffene Kinder erreicht und beim Aufbau von Ressourcen für die psychische Gesundheit unterstützt werden.
Projekt «Da -9 a +36» (Kanton Tessin)
Kinder, die in Familien mit herausfordernden Startbedingungen aufgrund von familiären, sozialen oder materiellen Belastungen aufwachsen, sind in ihrer frühkindlichen gesunden Entwicklung gefährdet. Um betroffene Familien in ihrer Beziehungs- und Erziehungskompetenz zu stärken, können Elternbegleiterinnen helfen.
Im Rahmen des Projektes werden Fachpersonen (Hebammen/Geburtshelfer, Gynäkologen/innen etc.) während der Schwangerschaft vernetzt, um vulnerable Familien bereits in dieser Phase zu erreichen. Die Eltern profitieren vom Angebot «Mit Eltern lernen» und werden im Austausch mit ihren Vertrauenspersonen befähigt, ihrer psychischen Gesundheit Sorge zu tragen. Diese ist essenziell, da Kinder in der frühen Phase der Kindheit für ihre gesunde Entwicklung stark von verlässlichen Bezugspersonen abhängig sind.
Projekt «Promotion Santé Psychique 0-4 ans» (Kantone Freiburg, Jura, Neuchâtel, Wallis)
Im Rahmen dieses Projekts arbeiten vier Westschweizer Kantone zusammen, um eine Ausbildung für Fachpersonen im Bereich Frühe Kindheit zu entwickeln, die auf die Förderung der psychischen Gesundheit von 0-4-Jährigen fokussiert ist. Zudem werden alle kantonalen Angebote zur Förderung der psychischen Gesundheit der 0-4-Jährigen und zur Unterstützung deren Eltern systematisch erfasst und verbreitet. Weiter werden zusätzliche Angebote für Fachleute entwickelt sowie die Synergien zwischen in diesem Bereich tätigen Verbänden und kantonalen Stellen gestärkt. Die interkantonale Koordination und der Know-how-Transfer werden von der Coordination romande des associations d'action pour la santé psychique (CORAASP) sichergestellt, in enger Zusammenarbeit mit den am Projekt beteiligten Kantonen.
Projekt «Psychische Gesundheit von Kleinkindern belasteter Eltern stärken» (Kantone Nidwalden, Obwalden)
Zur Unterstützung von Kleinkindern und ihren belasteten Eltern werden aufbauend auf jeweils kantonalen Strategien zur Frühen Förderung Handlungsfelder definiert, um die psychische Gesundheit der Kinder gezielt und nachhaltig zu fördern. Zentrale Ziele des Projektes sind, die Akteure zur verbindlichen Koordination zu motivieren oder gar zu verpflichten, sowie die Angebote den Fachpersonen und Familien bekannt zu machen. Es werden auf dem Bestehenden aufbauend passende und einfach zugängliche Unterstützungsangebote etabliert.
Für weitere Auskünfte oder Fragen steht Ihnen die Medienstelle von Gesundheitsförderung Schweiz per E-Mail medien(at)gesundheitsfoerderung.ch oder unter der Telefonnummer 031 350 04 04 zur Verfügung.
Gesundheitsförderung Schweiz
Gesundheitsförderung Schweiz ist eine Stiftung, die von Kantonen und Versicherern getragen wird. Mit gesetzlichem Auftrag initiiert, koordiniert und evaluiert sie Massnahmen zur Förderung der Gesundheit (Krankenversicherungsgesetz, Art. 19). Die Stiftung unterliegt der Kontrolle des Bundes. Oberstes Entscheidungsorgan ist der Stiftungsrat. Die Geschäftsstelle besteht aus Büros in Bern und Lausanne. Jede Person in der Schweiz leistet einen monatlichen Beitrag von 40 Rappen zugunsten von Gesundheitsförderung Schweiz, der von den Krankenversicherern eingezogen wird.